WIE GEWINNE ICH EINFLUSS UND POWER

  • Grundlagen sozialer Macht –  Patrick Schmid, Gesellschafter und Geschäftsführer von PS Consulting International
Projektmanagement-Beratung

Die Hierarchie in einem Unternehmen ist oft abstrakt. Je nachdem, ob die eigene Position auf einer höheren oder niederen Hierarchieebene ange­siedelt ist, verknüpft man Vor­stellungen über ein unterschiedliches Maß an Einflussmöglichkeiten., Da Projektleiter in der Hierarchie unter den „richtigen“ Führungskräften stehen,  fühlen sie sich oft machtlos und ausgeliefert. Doch die Hierarchie ist nicht alles! Selbst in solchen Organisationen haben bei näherer Betrachtung manche Projektleiter spürbar mehr Einfluss als andere. Wie machen sie das nur? Macht und Einfluss muss also noch andere Quellen haben, als nur die Position in der Unternehmenshierarchie.

Macht zu besitzen, bedeutet – auf einen einfachen Nenner gebracht – eine andere Person dazu zu bringen, etwas zu tun, was sie sonst von alleine nicht tun würde. Wer die Aktionen anderer Menschen beeinflussen kann, ist mächtig. Projektleiter benötigen Macht und Einfluss, um ihr Projektziele zu erreichen und ihr Projektteam zu bewegen, das dafür notwendige zu tun. Für diese Einflussnahme gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Die Sozialpsychologen French und Raven haben fünf Kategorien beschrieben, welche die verschiedenen Machtbasen – die Quellen der Macht –  darstellen.

Legitime Macht

Am offensichtlichsten ist die legitime Macht. Diese entspringt den Regeln der Unternehmenshierarchie. Wer weiter oben steht hat mehr zu sagen als jemand weiter unten. Die Legitimation wird meist in Rollenbeschreibungen durch Aufgaben, Verantwortung und dazugehörige Kompetenzen, also Befugnisse ausgedrückt. Der Inhaber einer bestimmten Posi­tion hat damit das Recht, bestimmte Handlungsweisen zu fordern und deren Partner die entsprechende Pflicht, sie zu erfüllen.

Aber legitime Macht ist nicht nur an Hierarchie gebunden, sondern kann vertraglich geregelt und delegiert werden. Das sieht man daran, dass wir zum Beispiel auch einem Pförtner unseren Firmenausweis zeigen und einer Polizistin unseren Führerschein, wenn sie danach fragen. So kann ein Projektleiter von seinen Teammitgliedern auch die termingerechte Erledigung von Aufgaben oder Informationen zum aktuellen Fortschritt einfordern, wenn er dazu durch seine Rollenbeschreibung legitimiert ist. Soweit die Theorie.

in der Realität gibt es jedoch zwei gravierende Einschränkungen: In manchen Unternehmen, vor allem wenn das Projektmanagement noch relativ jung ist, wissen die Mitarbeiter schlicht nicht, was die Befugnisse eines Projektleiters sind. Und weder Projektleiter noch die direkte Führung denkt daran, diese laut zu kommunizieren und auch einzufordern. Hier ist die Lösung einfach: Kommunizieren, klären, erklären und schließlich einfordern.

Die zweite Einschränkung kommt viel häufiger vor: In der Matrixorganisation haben die Projektmitarbeiter zwei oder sogar mehrere Chefs. Dieses sind ihr direkter Linienvorgesetzter und dazu ein Projektleiter. Oder vielleicht auch ein zweiter, dritter oder vierter Projektleiter. Die legitime Macht des Projektleiters wird also durch die legitime Macht der anderen begrenzt. Zur Lösung bedeutet es, dass ein Projektleiter mit anderen über den Einsatz eines Mitarbeiters verhandeln muss.

Er kann also nicht mehr vollkommen alleine bestimmen was der Mitarbeiter machen soll, sondern er vereinbart dies mit dem direkten Chef des Mitarbeiters und gegebenenfalls auch noch mit seinen Projektleiterkollegen. Das kann mühsam und zeitaufwändig sein. Im Rahmen dieser Vereinbarungen hat unser Projektleiter dann wieder die legitime Macht über den Mitarbeiter

Belohnung und  Bestrafung

Zwei weitere Arten von Macht sind Belohnung und Bestrafung. Also umgangssprachlich Zuckerbrot und Peitsche. Entsprechend der X-Y-Theorie von McGregor: Der Mensch ist eben entweder unwillig oder engagiert und braucht die jeweils passenden Maßnahmen.

Vor die Wahl gestellt, ob sie lieber ihre Mitarbeiter belohnen oder bestrafen würden, antworten die meisten Projektleiter gespalten: Am liebsten würden sie belohnen, da dies ja den Mitarbeiter motiviert und er dann engagiert mitmacht. Jedoch im Ärger und wenn es nicht so klappt wie gedacht, dann überwiegt der Wunsch nach Strafe. Ein guter Projektleiter sollte beide Seiten kennen und im Bedarfsfall einsetzen können.

Hier winken manche Projektleiter viel zu schnell ab: „Ich kann den Mitarbeiter nicht zwingen, ich kann ihn nicht kündigen und ich kann ihm keinen Bonus geben. Also funktioniert diese Macht nicht.“ Als ob die drastischen Mittel der Abmahnung oder Kündigung oder der zusätzliche Geldsegen alles wäre, was ein Mitarbeiter als Bestrafung oder Belohnung empfindet. Dazwischen gibt es noch ein sehr weites Spektrum an Möglichkeiten. Es braucht nur Kreativität und Einfühlungsvermögen, um diese zu erkennen.

Wie kann ein Projektleiter einen Mitarbeiter belohnen, wenn er ihm weder einen Bonus noch eine Gehaltserhöhung geben oder ihn befördern kann? Schauen wir dazu doch in die aktuelle Motivations­forschung: Steven Reiss liefert mit seinen 16 Lebensmotiven des Menschen dafür viele Anhaltspunkte. Wer zum Beispiel Struktur, Sicherheit und Ordnung sucht macht seinen Aufgaben lieber, wenn sie klar definiert und beschrieben sind. Wer jedoch Neugier und Unabhängigkeit als treibende Motive hat, braucht eher herausfordernde, offene und unklar definierte Aufgaben um mit Engagement dabei zu sein. Als Projektleiter habe ich einen Einfluss darauf, wie ich die Arbeitspakete zuschneide und definiere, damit sie für den Mitarbeiter passen. Richtig gemacht, wirkt es als Belohnung und motivierend.

Über die 16 Lebensmotive findet man ein breites Spektrum an „Belohnungen“, die Sie sehr wohl als Projektleiter geben können. Oft ist Belohnung so einfach wie ein „Dankeschön“ oder „das haben Sie prima gemacht!“ oder eine gute Rückmeldung an den direkten Vorgesetzten des Mitarbeiters.

Auch Bestrafungen bzw. die Ankündigung von Konsequenzen, sollte im Repertoire eines Projektleiters vorhanden sein. Diese sind in einzelnen Situationen notwendig, um Grenzen deutlich zu machen und auch zu signalisieren, dass Sie als Projektleiter nicht gewillt sind, jedes Verhalten hinzunehmen und zu akzeptieren. Dazu gehören Maßnahmen, wie zum Beispiel der temporäre Entzug von persönlichen oder inhaltlichen Freiräumen, das Bestehen auf die Einhaltung von Vorschriften, das bewusste Begrenzen von Kulanzspielräumen, sofortige Korrekturarbeiten, die Beschwerde bei seinem direkten Chef oder schließlich das Entlassen aus dem Projektteam.

Wichtig ist dabei, dass Sie als Projektleiter diese Sanktionen deutlich machen und als solche benennen. Und dass Sie auch wirklich willens und fähig sind, diese auch durchzuziehen. Sonst sind es nur leere Drohungen, die eher gegenteilig wirken und Ihre Glaubwürdigkeit aushöhlen. Und es ist in diesen Situationen auch hilfreich, dem jeweiligen Mitarbeiter zu signalisieren, wo der positiv motivierende Ausweg ist.

Expertenmacht

Die vierte Art von Macht ist die Macht des Experten: Wer sich in einem Land auskennt, kann einem Fremden sagen wo es langgeht. Wer die Konstruktion, die Software, den Prozess oder die Maschine im Detail kennt, kann den anderen deutlich machen, was geht und was nicht oder wie Mitarbeiter vorgehen sollen. Der Experte hat Macht über andere, weil er es besser weiß. Bei kleineren Projekten kann es noch vorkommen, dass der Projektleiter gleichzeitig der beste Experte ist. Dann kann er auch diese Macht einsetzen. Bei größeren und komplexeren Projekten haben die Mitarbeiter meist eine deutlich größere Expertise in ihrem jeweiligen Fachgebiet als der Projektleiter. Die Machtverhältnisse sind in diesen Themen dann umgedreht und die Mitarbeiter haben eine gewisse Macht über den Projektleiter.

Dennoch ist es wichtig als Projektleiter zu wissen und es sich bewusst zu machen, worin Sie selbst Experte sind: Statt im Detail haben Sie den Gesamtüberblick, Sie kennen die Zusammenhänge innerhalb des Projekts und zu seinem Umfeld und können die Einzelteile sinnvoll integrieren. Ihre Expertise liegt in der Planung und Steuerung eines Projekts von Anfang bis Ende oder auch im Informationsvorsprung vor den anderen.

Ein wichtiger Aspekt bei der Expertenmacht ist, dass der andere von dieser Expertise weiß und diese auch anerkennt und akzeptiert. Wenn nur Sie selber glauben, dass Sie ein guter Konstrukteur oder Entwickler sind und dies keiner weiß, dann können Sie diese Macht nicht nutzen. Und wenn der andere ihre Expertise geringer einschätzt als Sie selbst und Ihnen nicht glaubt, dann wirkt die Expertenmacht auch nicht. In solchen Fällen sollten Sie zunächst Ihre Expertise erklären, deutlich machen und auch mit Zweiflern darüber diskutieren.

Macht durch Identifikation

Die Identifikationsmacht oder auch Macht durch Charisma bezieht sich auf die Fähigkeit des Projektleiters, bei den Teammitgliedern ein Gefühl der Verbundenheit hervorzurufen. Er beeinflusst deren Einstellungen ihm gegenüber und damit deren Emotionen sowie Ziele und Absichten. Die Mitarbeiter wollen sich mit den persönlichen Eigenschaften und Qualitäten des Projektleiters identifizieren und bei ihm im Projekt oder Team mit dabei sein. Ein Projektleiter mit Charisma wird von seinen Mitarbeitern bewundert und geschätzt. Sie möchten ihm nachstreben und ähnlich werden. Aus der persönlichen Anziehungskraft bzw. dem Charisma der Person ergibt sich die Identifizierung.

Viele Menschen glauben, dass Charisma angeboren ist. Man hat es – oder eben nicht. Das stimmt so nicht. Natürlich haben manchen Menschen einen gewissen Vorsprung, weil sie es schon früh in Kindergarten und Schule gezeigt haben und lange Jahre üben konnten. Aber Charisma lässt sich auch später noch entwickeln und ausbauen. Dabei hilft ein hohes Maß an Selbst-Bewusstsein und Reflexion. Die wichtigsten Leitfragen dafür sind: Was habe ich an Stärken? Wie lebe und gestalte ich diese? Welches sind meine Schwächen? Wie gehe ich mit diesen authentisch und selbstbewusst um? Weshalb sollten andere Menschen für mich arbeiten wollen? Was macht es für sie leichter? Was macht es schwieriger? Was können andere von mir lernen und abschauen?

Authentische und reflektierte Menschen haben eine natürliche Ausstrahlung, die wiederum andere als erstrebenswert empfinden. Es geht nicht um Perfektion, sondern darum seine Stärken und Schwächen zu kennen und dazu zu stehen. Dies lässt sich über gute Führungsseminare, vielseitiges Feedback und Selbsterfahrung entwickeln und ausbauen.