WAS TUN … WENN PROJEKTE UNREALISTISCH AUFGESETZT WURDEN?

  • 5 Tipps zur Soforthilfe

In unserer neuen Reihe beantworten wir aktuelle Fragen rund um Projektmanagement und machen keinen Hehl daraus, dass Projektleiter zu sein oft einer emotionalen Achterbahnfahrt gleicht.

Was tun, wenn Projekte unrealistisch aufgesetzt wurden?

Markus Stark ist zum Projektleiter eines großen IT-Projekts ernannt worden. Ein neues CRM-System muss entwickelt und eingeführt werden. Vom obersten Management kommt die Vorgabe, dass das Projekt schon in 6 Monaten abgeschlossen sein muss. Das ist vollkommen unrealistisch! Um es sinnvoll umzusetzen, benötigt er aus seiner Sicht mindestens 12 Monate. Alle kürzeren Laufzeiten gehen zu Lasten der Qualität, und das kann er einfach nicht vertreten. Zumal es extremen Druck auf alle Beteiligten ausüben wird. Was kann er tun?

Um Ihnen eine Bandbreite an Möglichkeiten und Lösungsmöglichkeiten zu geben, haben wir diese Frage an fünf Experten aus unserem Team weitergegeben:

Susanne: Beschreiben Sie möglichst konkret, weshalb der Abgabetermin unrealistisch ist. Ist dies eine pauschale Einschätzung oder haben Sie schon detaillierter geplant und diese Aussage mit Fakten untermauert? Die Aussage „Das schaffen wir nicht in der Zeit“ wird nicht ausreichen, um Überzeugungsarbeit zu leisten. Also stellen Sie sich doch einmal die Frage: Unter welchen Bedingungen wäre der Termin denn zu schaffen? Können Aufgaben ausgelagert werden? Kann das Projekt beschleunigt werden, wenn mehr Geld in die Hand genommen wird? Müssten eventuell andere Projekte oder Aufgaben dafür verschoben werden? Machen Sie sich zu diesen Punkten Gedanken.

Dafür eignet sich ganz besonders die Flip-Flop-Methode, das ist wie „Brainstorming andersrum“. Diese Kreativitätstechnik liefert großartige Ergebnisse und macht dabei noch enorm viel Spaß: Suchen Sie nicht nach der besten Lösung sondern nach der schlimmsten Vorgehensweise. So werden Probleme, Widerstände und Fehler eines Projektes viel schneller erkannt und gesehen als Chancen, Lösungsmöglichkeiten oder Entwicklungsschritte. Die gefundenen Negativ-Ideen müssen Sie also nur umdrehen, um zu den positiven Wirkungen zu kommen.

Erst dann haben Sie Argumente parat und können die Verantwortung auf das Management übertragen. Ohne klare Argumente und Lösungsvorschläge läuft diese Überzeugungsarbeit sonst auf ein Machtspiel hinaus, bei dem Sie als Projektleiter, wenn Sie nicht gerade eine sehr große Erfahrung und gute Reputation besitzen, schnell verlieren.

Berthold: Prüfen Sie die Möglichkeit das Projekt gestaffelt umzusetzen und zu schauen, was bis zum Wunschtermin in 6 Monaten umgesetzt werden könnte. Dabei hilft es, die Prioritäten des Auftraggebers zu kennen, um zu wissen welche Aspekte des Projekts absolut fix sind, und wo etwas Flexibilität besteht. In der Praxis hat es sich oft als sinnvoll erwiesen, größere (Software-)Projekte iterativ und inkrementell, also in mehreren Stufen anzugehen. Statt das ganze Projekt in einem Rutsch  umzusetzen wird es in kleinere überschaubare Häppchen aufgeteilt. Diese agile Vorgehensweise reduziert außerdem das Risiko im Projekt. Und das Projekt kann so laufend an die Bedürfnisse der Nutzer angepasst werden. Die Qualität des Endprodukts steigt.

Patrick: Können Sie die eigene Vorgehensweise im Projekt optimieren? Gibt es irgendwo Benchmarks oder Vergleichsprojekte? Gibt es erfahrene Kollegen, die so etwas Ähnliches schon mal gemacht haben? Machen Sie mit Ihrem Team eine gemeinsame kreative Session, um zu schauen, wie Sie bessere, schnellere und/oder günstigere Wege finden können, um das Projekt zu realisieren. Besonders blöd ist es nämlich, wenn die Konkurrenz es hin bekommt, nur Ihr Team nicht. Dann brauchen Sie frische Ideen von außen.

Andrea F. : Haben Sie und Ihr Auftraggeber das gleiche Verständnis, welche Leistungen und Produkte von Ihnen und Ihrem Projektteam zu erbringen sind? Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang die Auftragsklärung. Gehen Sie nicht davon aus, dass Ihr Auftraggeber immer von Anfang an für eine klare Beschreibung des Projektauftrags sorgen kann.

Unterstützen Sie den Auftraggeber in der Ausarbeitung eines realistischen Projektauftrags. Ganz wichtig: Sie als Projektleiter sind nicht der willenlose Befehlsempfänger, sondern können aktiv mit dem Sponsor die Ziele und deren Prioritäten verhandeln. Häufig ergeben sich die besten Ideen aus einer gemeinsamen Klärung und Diskussion mit allen Beteiligten.

Andrea K.: Zeigen Sie klipp und klar die Konsequenzen auf, was passiert, wenn Termine und Ressourcen nicht eingehalten werden oder die Qualität nicht passt. Oft sind Probleme im Einsatz, erhöhte Kosten oder Umsatzeinbußen die Folge. Benennen Sie diese Risiken klar, halten Sie diese in den Projektdokumenten fest und kommunizieren Sie diese an das Management.

Sie sehen: Bei allen Lösungen sind eine detaillierte Kenntnis des Projekts, eine gute Planung sowie gute Kommunikationsfähigen im Projekt unerlässlich. Nur so können Sie fundierte Aussagen treffen und mit Ihrem Auftraggeber auf Augenhöhe verhandeln.