BAU EIN LUFTSCHLOSS

  • Patricks Projekt-Panne #11: Galoppierender Größenwahn

Immer wieder treffe ich auf Projektteams, die eine eierlegende Wollmilchsau jagen. Manche erkennen das Tier vom ersten Tag an – und stürzen in die Depression: „Das geht doch nicht! Das gibt es nicht! Wie soll das gehen?!“ Andere sind nicht so schnell.

Total naiv

Manche Projektteams verfolgen eine wirklich geniale Idee und glauben: „Das ist der große Wurf! Die eierlegende Wollmilchsau. Das perfekte Produkt.“ Sie legen los und durchlaufen die ersten drei Phasen eines Luftschloss-Projektes: Begeisterung – Ernüchterung – Panik. Weil erst nach und nach klar wird, was man zu Projektbeginn noch nicht überblickte: Was wirklich im Projekt verlangt wird und was für die anvisierte perfekte Lösung alles getan werden müsste – das ist schlicht too much. Das ist nicht zu schaffen. Das ist ein Schock. Das zieht einen schlagartig runter. Die Stimmung ist futsch. Was dann?

Tote Pferde peitschen

Einige kommen dann auf die Idee, doch noch irgendwie zu schaffen, was nicht zu schaffen ist. Sie machen noch mehr Überstunden. Sie überziehen Budgets. Sie machen Versprechungen. Nicht, weil es doch irgendwie zu schaffen wäre. Das ist es nicht. Doch das wollen sie sich und ihren Auftraggebern nicht eingestehen. Das schlimme Ende können wir uns bildhaft ausmalen. Der große Wurf endet im großen Krach. Andere sind schlauer: Was macht man, wenn man die anvisierten 150 Prozent nicht schafft?

Seminartipp: Projektmanagement Grundlagen

Lernen Sie praxisnahe Methoden, die Ihre Arbeit als Projektleiterin oder Projektleiter spürbar erleichtern. Erfahren Sie, wie Sie Ihren Projektauftrag sinnvoll klären und realistische Projektpläne entwickeln – sowohl auf klassische, wie auch agile Art. Sie Lernen hilfreiche Tool und Techniken kennen, die Ihre Projektarbeit unterstützen. So setzen Sie Ihr Projekt alleine oder zusammen mit dem Projektteam zielgerichtet um und schließen es erfolgreich ab.

Zum Seminar >>

Abstriche bis zum Abwürgen

Fachausdruck: Priorisierung. Die Projekt-Spezifikationen werden (neu) priorisiert und die Anforderungen mit niederer Priorität einfach gestrichen. Man macht Abstriche. Das klingt logisch, sachlich und angebracht. So empfindet das bloß kein Projektteam, das mit einem genialen Gewinner gestartet ist. Tatsächlich ist die Priorisierung ein elender Hickhack, bei dem jeder das dumpfe Gefühl in der Magengrube spürt: Wir verkrüppeln auf grausamste Weise ein vormals geniales Projekt. Vorher war das der Renner, The Next Big Thing, der Knall im All, der große Durchbruch am Markt und bei den Kunden. Jetzt ist es ein Schatten seiner selbst, ein kümmerlicher Rest, ein Überbleibsel. Das schmerzt höllisch. Deshalb kämpfen alle verbissen darum, so viel wie möglich von ihren Partikularinteressen drin zu behalten: Management, Marketing, Entwicklung, Vertrieb. Die Meetings, auf denen das verhandelt wird, sind zäh, kraftraubend, konfliktreich und liefern nur in krassen Ausnahmefällen (Du kennst einen? Mail’s mir!) ein befriedigendes Ergebnis. Meist regiert das Gegenteil: Jeder hat das Gefühl, dabei zu verlieren und eine geniale Idee total zu ruinieren. Keine gute Lösung. Die bessere Lösung:

Das MVP

Das Minimum Viable Product ist wörtlich das „minimal brauchbare oder lebensfähige Produkt“. Es kommt exakt aus der anderen Richtung. Es kürzt ein geniales Projekt nicht von 150 auf frustrierende 60 Prozent herunter. Es macht das Gegenteil. Es fängt sozusagen auf der grünen Wiese an und fragt: Wenn wir von Null ausgehen – was würde dem Kunden/Auftraggeber am schnellsten etwas bringen? Und dann realisiert man etwas, das in zwei, drei oder vier Punkten absolut genial ist – und nicht in 25, wie bei der illusorischen Wollmilchsau. Der entscheidende Unterschied: Das MVP ist realisierbar; die WMS (meist) nicht. Warum gibt es dann immer noch so viele Projektteams (und Auftraggeber), die hinter der WMS herjagen?

Seminartipp: Agiles Projektmanagement

Sie bekommen in zwei Tagen alles an die Hand was Sie brauchen, um agile Methoden und Techniken in Ihr klassisches Projektmanagement zu integrieren. Im Seminar erfahren Sie , was agile Zusammenarbeit bedeutet. Mit unserem praktischen Erfahrungsschatz bekommen Sie sehr viele sofort nutzbare Tipps und Ideen. So kennen Sie die Stärken aller Methoden und können klar entscheiden, wie Sie diese einsetzen.

Zum Seminar >>

Der Stolz der Entwickler

Wer sich einmal in eine absolut geniale Idee verliebt hat, dem fällt es naturgemäß schwer, zurück auf Null zu gehen. Noch schwerer fällt es, auch die Perspektive diametral zu vertauschen und jene Fragen zu stellen, die entscheidend sind für den Erfolg des MVP:
• Wozu braucht der Kunde/Auftraggeber denn das, was er bei uns in Auftrag gibt?
• Was fängt er damit an?
• Was will er damit erreichen?
• Was ist sein Nutzen – im Gegensatz zum Nutzen unserer Entwickler, die legendäre WMS zu erlegen und damit ihr Prestige zu mehren?
• Und was können wir für diesen Nutzen als erstes anbieten?
Die WMS fragt illusorisch: Was ist die Ideallösung? Das MVP fragt: Wie können wir schnell einen ersten Kundennutzen stiften? Für viele Projektteams ist der entscheidende Vorteil daran: „Eine Ideallösung einzukürzen tut unendlich weh. Das MVP ist schmerzfrei und macht sogar Spaß.“ Vor allem, wenn man sieht, wie der Kunde sich darüber freut.

Weitere MVP-Vorteile

Ein Vorteil insbesondere in hoch dynamischen und hart umkämpften Märkten: Das MVP ist viel schneller am Markt als die WMS. Mit dem MVP hat man etwas in der Hand, das man schon anbieten, verkaufen, verbuchen kann, während zunehmend verzweifelnde Konkurrenzteams sich noch die Zähne an der WMS ausbeißen. Daraus ergibt sich ein weiterer Vorteil: Man sieht, was der Kunde mit dem MVP anstellt und kann dann schrittweise aufstocken. Der Kunde gibt praktisch Rückmeldung für die weitere Optimierung der Lösung. Das stärkt die Kundenbindung und das Nachfolgegeschäft. Das MVP wird mit jeder Optimierung immer besser und erfolgreicher. Während die WMS immer noch kostet und kostet, spielt das MVP seine Kosten plus Marge ein und macht alle glücklich: Kunden, Unternehmen, Projektteam.

Seminartipp: Führen als Projektleiter:in

In unserem Seminar lernen Sie als Projektleiter zu führen – auch ohne Vorgesetztenfunktion. Sie wissen, wie Sie Aufgaben erfolgreich delegieren und Respekt als Führungskraft erhalten. Wir stellen Ihnen wirkungsvolle Führungsstile vor und zeigen Ihnen, wie Sie diese situativ passend einsetzen. So bleiben Sie auch in schwierigen Führungssituationen handlungsfähig und erhalten die Motivation Ihrer Mitarbeiter.

Zum Seminar >>

Erfahrungen

Unternehmen, die seit Jahren mit dem MVP arbeiten, sagen mir oft: „Das Produkt oder die Lösung, die wir mit dieser schrittweisen Optimierung nach drei bis vier Jahren am Markt haben, sieht in der Regel ganz anders aus als die damals geplante angeblich perfekte Ideallösung.“ Dann zeigt sich, dass die Ideallösung auf Dauer nicht wirklich ideal gewesen wäre. Hätte man die Wollmilchsau in der originären Form an den Markt gebracht, wäre sie Stand heute oft komplett am Markt vorbei entwickelt. Ergo: Die evolutorische Lösung schlägt die revolutionäre Lösung. Deshalb verfolgen viele führende Unternehmen diese evolutorische Strategie. Das heißt nicht, dass die eierlegende Wollmilchsau völlig unnütz wäre.

Die Sau ist doch für was gut

Die eierlegende Wollmilchsau ist quasi die Vision, die sagt: In diese Richtung wollen wir langfristig gehen! Doch der realistische Weg dahin ist eben nicht der große Wurf (die WMS), sondern die vielen kleinen Schritte (das MVP und seine fortlaufende Optimierung). Das alles kommt dir seltsam bekannt vor? Du hast damit Recht: Das ist nichts anderes als Agiles Projektmanagement (mehr davon im gleichnamigen Seminar). Das ist nicht nur eine überlegene PM-Methode. Das ist die versammelte Philosophie der Jahrtausende. Wie schon Laotse sagte: „Selbst eine Reise von tausend Meilen beginnt mit dem ersten Schritt.“ Oder wie es im Zen heißt: Der Weg ist das Ziel.
Auf diesem Weg wünsche ich dir viel Erfolg!

Patrick´s Projekt-Pannen – Was ist das denn?

Wie der Titel verrät: Wenn ich in der Praxis unterwegs bin, berichten mir Projektleiter von so vielen alltäglichen Projekt-Pannen, dass ich dringend etwas dagegen unternehmen möchte. Unter anderem mit dieser Kampagne. Jeden Monat veröffentlichen wir in unserem Newsletter eine typische Projekt-Panne.
Wenn auch Sie eine wiederkehrende oder lästige Panne plagt: Mailen Sie´s mir und ernten eine schnelle Lösung in einer der nächsten Ausgaben (anonym, wenn Sie möchten)! Damit wir uns alle an beliebten Pannen erfreuen und mit schnellen, pragmatischen Lösungen das Leben und die Arbeit leichter machen. In diesem Sinne: Viel Erfolg in Ihrem Projekt!

Sie haben Patricks Projekt-Pannen verpasst? Kein Problem. Klicken Sie einfach rein.

Zu Patrick´s Projekt-Pannen >>