GEFÄHRDETE PROJEKTE ERKENNEN UND SANIEREN

Projektberatung

Wann ist ein Projekt in Schieflage? Und ab wann in der Krise? Dies ist oft gar nicht so einfach zu erkennen. Natürlich gibt es eindeutige Situationen, bei denen klar ist, dass nichts mehr zu machen ist: wesentliche Inhalte fehlen, die Qualität passt nicht, alle Termine wurden überzogen oder das verfügbare Budget ist aufgebraucht. Doch bevor es überhaupt so weit kommt, besteht die Kunst in der Projektleitung darin, solche Schieflagen früh zu erkennen und passend zu agieren.

In jedem Projekt gibt es hin und wieder Abweichungen vom Plan. Das ist normal. Und dafür braucht es gewisse Toleranzgrenzen, damit sich das Projekt den natürlichen Gegebenheiten und Unwägbarkeiten der Realität anpassen kann. Doch ab wann sind die Abweichungen nicht mehr tolerierbar?

Es gibt unterschiedlichste Anzeichen oder Frühindikatoren um zu erkennen, ob ein Projekt noch realistisch durchgeführt werden kann oder ob es bereits erheblich gefährdet ist.

Ein erfolgreiches Projekt liefert das vereinbarte Ergebnis zum vereinbarten Termin und im vereinbarten Kostenrahmen. Daher ist ein Projekt nicht nur gefährdet, wenn es seine inhaltlichen Ziele nicht mehr erreichen kann, sondern auch, wenn es seine inhaltlichen Ziele nur mit deutlichen Mehrkosten oder unter massiven Terminverzügen realisieren kann. Hier stellt sich für die Auftraggeber ebenfalls die Frage, ob sich das Projekt noch lohnt oder gegebenenfalls abgebrochen oder modifiziert werden muss.

Die Gefährdung eines Projekt wird schon frühzeitig erkennbar, z.B. aufgrund von:

  • Terminverzügen schon ab den ersten Aktivitäten
  • Fehlenden Mitarbeitern, die für die Umsetzung notwendig wären
  • Deutlichen technischen Problemen während der Umsetzung
  • Unzufriedenheit und Demotivation bei Mitarbeitern oder Kunden
  • Sich laufend ändernden Zielen und Umfängen
  • Andauernden Eskalationen oder Personalaustausch

Hier kommt viel Psychologie ins Spiel: Projektleiter sind meistens Optimisten. Das ist normal, denn welcher Auftraggeber übergibt schon freiwillig die Projektverantwortung an einen Pessimisten? Und bei Optimisten „stirbt die Hoffnung zuletzt“, wie man so schön sagt.

Wie kommt es dazu?

Die Gründe für ein Projekt in Schieflage sind genauso vielfältig wie die Projekte selbst. Als Hauptursachen findet man jedoch immer wieder:

  • Projekte wurden von vorneherein unrealistisch aufgesetzt (zu viele Inhalte, zu enge Termine, zu wenig Personal, Wunschdenken im Management oder bei der Projektleitung)
  • Die Projektziele wurden unsauber geklärt und müssen laufend geändert und angepasst werden
  • Die Projektplanung wurde unsauber oder unvollständig durchgeführt und diese Mängel zeigen sich in der Durchführung
  • Das Risikomanagement wurde ausgelassen bzw. zu oberflächlich gemacht und vorhersehbare oder gar vermeidbare Risiken erschweren die Umsetzung
  • Das Stakeholdermanagement wurde vernachlässigt und es gibt „überraschend“ Widerstände
  • Das Change-Management wurde nicht angemessen geplant und verursacht massive Nacharbeit
  • Und natürlich gibt es auch plötzlich eintretende, unvorhersehbare Ereignisse wie Organisations­veränderungen, politische Wechsel oder Probleme im Umfeld, die das Projekt massiv beeinträchtigen oder in Frage stellen

 Wie gehe ich mit einem Projekt in Schieflage sinnvoll um?

Wenn Projekte in Schieflage geraten sind, ist zügiges und bewusstes Handeln angesagt, ohne dabei in Hektik zu verfallen. Die Schritte dabei sind:

  • Situationsanalyse: Wo steht das Projekt aktuell?
  • Risiko- und Chancenanalyse: Wie gut sind unsere Optionen im Augenblick?
  • Entscheidung mit Auftraggebern: Abbrechen oder Neu-Aufsetzen des Projekts?
  • Zielüberprüfung: Stimmen die Ziele noch oder müssen sie angepasst werden?

Sollte sich aus den Analysen ergeben, dass das Projekt sinnvoll fortgesetzt werden kann oder muss, dann geht es an die Neu-Ausrichtung des bisherigen Projekts:

  • Aktives Stakeholdermanagement: Kommunikation der Situation und des weiteren Vorgehens an die relevanten Stakeholder
  • Ursachenanalyse: Wie sind wir in die aktuelle Situation geraten und was lernen wir daraus?
  • Projektpläne überarbeiten: Umfänge, Aufwände, Termine und Kosten realistisch neu einschätzen
  • Risikomanagement: Risiken des aktualisierten Projekts bewerten
  • Planabsicherung: Sind die Ursachen wirklich behoben und ist das Projekt nach der Neu-Ausrichtung realistisch durchführbar?
  • Projektcontrolling optimieren: Abweichungen in Zukunft früher erkennen

Diese Schritte sind in den folgenden Kapiteln detailliert dargestellt.

1. Situationsanalyse

Wo steht das Projekt aktuell?

Im ersten Schritt der Projektsanierung geht es darum, sich einen Überblick über den aktuellen Zustand des Projekts zu verschaffen. Es muss rasch analysiert werden, in welchen Bereichen das Projekt Probleme hat – und ich welchen Bereichen es noch gesund da steht. Basierend auf dieser ersten Situationsanalyse werden die nächsten Schritte ausgewählt und durchgeführt.

Hilfreich ist eine standardisierte Bewertung des aktuellen Projektstatus wie sie in der Tabelle auf der nächsten Seite dargestellt ist. Die Basis bilden dabei die bisherigen Ziele und Vereinbarungen. Mit dieser Analyse können die wesentlichen Problemfelder identifiziert und möglicherweise eingegrenzt werden.

Wichtig ist es dabei, alle relevanten Perspektiven mit einzubeziehen. Da bei größeren Projekten ein Projektleiter nicht jedes Themengebiet selbst einschätzen kann, müssen die einzelnen Fachexperten mit einbezogen werden. Daher führt der Projektleiter oder Projektsanierer diese Situationsanalyse zusammen mit den wichtigsten Beteiligten und Experten durch. Dazu gehören die wesentlichen Teammitglieder des Projekts, sowie Lieferanten und eventuell auch der Auftraggeber.

Beim Zusammenfassen der Einzelperspektiven ist es gerade in komplexen Projekten wichtig, ALLE einzelnen Einschätzungen sorgfältig anzuschauen. Wenn in zehn Abteilungen alles prima läuft, es aber in einem Fachgebiet große Probleme gibt, sieht der Durchschnittswert über alle Abteilungen hinweg zwar gut aus, das Projekt kann jedoch trotzdem scheitern.

Nach der Situationsanalyse sollte eine klarere Einschätzung über den aktuellen Zustand des Projekts und seine Aussichten bestehen. Oft ergibt sich daraus schon ein erstes Bild, wie das Projekt verändert werden müsste, um wieder sinnvoll auf Kurs gebracht zu werden.

Neben der Ermittlung des aktuell erreichten Zustands mit seinen möglichen Problemen ist es auch wichtig, das verbleibende Projekt – basierend auf den bisherigen Vereinbarungen und Plänen – grob einzuschätzen. Diese Einschätzung der Zukunft, verbunden mit einem Vertrauensindikator („Wie sicher ist diese Einschätzung?“) ergibt ein umfassenderes Bild.